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Freies Wort 17.03.2010

"Suhl ist zu sehr auf Abriss fokusiert"

Suhl - In diesem Jahr begeht der Mieterverein Suhl und Umgebung 20-jähriges Bestehen. Freies Wort sprach mit dem verantwortlichen Rechtsberater des Vereins, Georg Seidler.

Herr Seidler, welche Aufgaben hat der Mieterverein?
Wir verstehen uns als eine Interessenvertretung der Mieter und wollen das Gegengewicht zur Vermieterseite sein.

Wer kann zu Ihnen kommen?
Jeder, der ein Problem mit seinem Vermieter hat. Vor allem geht es um Beratungsbedarf bei Mieterhöhungen und um Nebenkostenabrechnungen. Damit kommen viele Mieter nicht klar, wir erläutern ihnen das Zahlenwerk gern und unterstützen sie beim Widerspruch. Andere suchen juristischen Beistand in einer Auseinandersetzung mit ihrem Vermieter.

Sie beraten nur Mitglieder?
Entsprechend unserer Satzung beraten wir nur im Rahmen einer Mitgliedschaft, sonst könnten wir uns als Verein nicht tragen. Derzeit haben wir etwa 1850 Mitglieder aus Südthüringen und aus dem angrenzenden Hessen und Bayern.

Wie viel kostet eine Mitgliedschaft im Verein?
Unser Jahresbeitrag beträgt 43 Euro, übrigens seit 17 Jahren unverändert.

Was kann der Mieter dafür erwarten?
Wir als seine Interessenvertretung setzen uns ein für ein soziales Mietrecht, für sicheren und bezahlbaren Wohnraum, wir beraten zu Wohnen und Mieten, führen Informationsveranstaltungen durch, klären auf und erläutern Gesetzlichkeiten. Unsere Tätigkeit ist nicht auf die reine Rechtsberatung beschränkt.

Wie werden die Interessen der Mieter über den Mieterverein durchgesetzt?
Wir wollen möglichst einem gerichtlichen Streit aus dem Weg gehen. Das ist nicht nur eine Frage der Kosten, sondern Gerichtsverfahren sind auch sehr langwierig und der Ausgang ungewiss. Wir können den Sachverhalt nach Erfolgsaussichten einschätzen und streben zuerst eine außergerichtliche Regelung an. Für das Gros der Mieter konnten wir noch immer einen Kompromiss aushandeln. Natürlich muss dafür auch der Vermieter bereit sein. Eine außergerichtliche Einigung ist immer besser, denn in der Regel besteht ja das Vertragsverhältnis zwischen beiden Seiten weiter und beide Partner müssen auch künftig miteinander auskommen.

Mit welchen Problemen kamen die Mieter in den 1990er-Jahren, mit welchen kommen sie heute?
In den Anfangsjahren spielten in etwa 50 Prozent der Fälle Mieterhöhungen nach Baumaßnahmen eine Rolle. Hier gab es großen Beratungs- und Aufklärungsbedarf bei der Umlegung der Kosten. Jetzt kommen die meisten Mitglieder beziehungsweise Mieter mit ihren Nebenkostenabrechnungen, die sie nicht verstehen oder als zu hoch empfinden. Unsere Erfahrungen besagen, dass viele Abrechnungen ungenau und fehlerhaft sind. Wir erläutern die Abrechnung nicht nur, sondern können vielfach auch helfen, indem wir den Fehler in der Abrechnung entdecken, den schlechten energetischen Zustand des Hauses für erhöhte Heizkosten benennen oder den Mieter auf falsches Verhalten beim Heizen hinweisen.

In der Tat, die Betriebskosten klettern immer mehr in die Höhe...

...und betragen mittlerweile über ein Drittel der Gesamtmiete. Diesen Kostenfaktor gilt es, genau unter die Lupe zu nehmen, auch die Mieter haben nichts zu verschenken.

Nehmen die Mieter ihre Rechte ausreichend wahr?
Ja und nein. Immer wieder hören wir von Mietern aus den Altbundesländern, dass unsere Leute hier zu ruhig sind. Natürlich fordern unsere Mieter ihre Rechte ein, aber nicht immer in dem Umfang, der nötig wäre. Wir als Mieterverein unterstützen sie dabei, begleiten und ermutigen sie, ihre Rechte wahrzunehmen. Zugegeben, das Mietrecht wird immer komplizierter und dadurch für "Otto Normalverbraucher" auch immer unverständlicher.

Sie sprachen davon, dass Mieterhöhungen im Moment in Ihrer Arbeit keine so große Rolle spielen...
Nicht ganz. Seit 2008 erhöht die AWG Wohnungsbaugenossenschaft Suhl e. G. schrittweise fast für ihren gesamten Wohnungsbestand den Mietzins. Sie bringt damit den Suhler Wohnungsmarkt durcheinander, denn die Mieten sind für die Stadt Suhl zu hoch. Für einen Wohnstandort ist es gefährlich, wenn die Miete eines großen Vermieters auf Dauer über der ortsüblichen liegt. Was ortsüblich ist, widerspiegelt der Mietspiegel, der 2006 vorgelegt wurde. Seit einem Dreivierteljahr wird in Suhl an einem neuen Mietspiegel gearbeitet.

Ist es nicht dem Vermieter selbst überlassen, ob, wann und um wie viel er die Miete erhöht?
Im Grunde genommen ja, aber er muss sich dann auch über die Auswirkungen im Klaren sein. Die werden bei einem Einzelvermieter nicht so ins Gewicht fallen. Anders bei einem Großvermieter wie der AWG mit ihren etwa 4000 Wohnungen. Mieterhöhungen in dieser Größenordnung haben Auswirkungen auf die Stadt und deren Image. Vermietung ist ein langfristiges Geschäft. Als Vermieter müsste ich daran interessiert sein, auch noch in zehn Jahren einen festen Mieterstamm und somit kalkulierbare Einnahmen zu haben. Was nützt mir da ein schnelles Geschäft mit den höheren Mieten?

Der Mieterverein Suhl und Umgebung agiert südthüringenweit. Wie ist aus Ihrer Sicht die Situation in den anderen Städten?
Am teuersten wohnt man in Suhl und das, obwohl die Nachfrage nach Wohnungen geringer als in anderen Gegenden ist. Suhl verzeichnet neben Bad Salzungen den größten Verlust an Einwohnern und beide Städte haben mit dem größten Leerstand zu kämpfen. In Sonneberg und Hildburghausen hingegen ist der Wohnungsmarkt stabil. Auch in Schmalkalden, wo es eine top sanierte Wohnung für fünf Euro pro Quadratmeter gibt. In Suhl müssen die Mieter dafür schon sechs Euro hinlegen.

Das Problem des Einwohnerverlustes kann auch kein Mieterverein lösen...
... das nicht, aber man kann gemeinsam mit Stadt, Vermietern, mit Politikern und allen, denen die Zukunft der Stadt am Herzen liegt, Strategien entwickeln. In Suhl ist man zu sehr auf Wohnungsabriss und das Jahr 2025 fokussiert, von dem die Prognose sagt, dass dann nur noch knapp 30 000 Menschen in der Stadt leben. Das nimmt man als gegeben hin.
Warum dreht man den Spieß nicht um und geht bundesweit gezielt auf Mieterwerbung? Ich bin überzeugt, dass Menschen, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind und in einem Ballungsgebiet leben, an einem Wohnstandort mitten im Grünen, mitten in Deutschland und ohne große Schadindustrie interessiert sind. Wenn wir aber auf Werbetour gehen, müssen bei uns die Bedingungen stimmen. Damit meine ich unterschiedliche Wohnformen, Infrastruktur, keine überhöhten Mieten, Wohnungen in verschiedenen Preissegmenten. Und dazu gehört auch, dass die GeWo wirtschaftlich gesunden muss, um wieder investieren zu können und für Mieter attraktiver zu werden.

Dazu ist die Politik gefragt. Kommen wir jedoch von der großen Politik noch einmal auf den Mieterverein zu sprechen. Wo sind Sie tätig und wie erreichbar?
Neben Suhl haben wir Beratungsstellen in Schmalkalden, Bad Salzungen, Hildburghausen und Sonneberg, wo wir je zweimal im Monat vor Ort sind. Wir, das sind insgesamt zwei Rechtsberater und ein Jurist als Honorarkraft. Die Suhler können uns jeden Donnerstag von 9 bis 13 und 14 bis 18 Uhr in der Würzburger Straße 3 erreichen, dann auch telefonisch unter 03681/728161 oder jederzeit per e-Mail unter mieterverein-suhl@t-online.de.

Interview: Ruth Schafft

Quelle: Freies Wort vom 17.03.2010

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