Sie sind hier: Startseite » Verein » Über uns

Freies Wort 10.02.2012

Wenn die Kälte aus jedem Winkel kriecht



Die extreme Kälte dieser Tage sorgt draußen für eine Gänsehaut. Doch auch in manchen Wohnungen ist das große Bibbern angesagt.


Von Georg Vater

Steffen K. und Nancy R. befüllen wieder einmal ihren Bioethanol-Kamin. Etliche Kanister haben sie schon verbraucht, um ihre Wohnung einigermaßen warm zu bekommen.
Die Thermostate sind voll aufgedreht, die Heizkörper kochend heiß - und doch kriecht die Kälte in der Dachgeschosswohnung des Hauses Lauwetter 7 aus jedem Winkel. Seit Wochen sind die Bewohner, Steffen K. und Nancy R., dauererkältet. Das junge Paar, er arbeitet bei der Telekom in Suhl, sie studiert in Erfurt, hat die Wohnung erst im Mai vergangenen Jahres bezogen. Mit Einbruch des Winters kam das böse Erwachen. Die auf Maximalstufe laufenden Heizkörper schafften es nicht, die ausgebaute Dachwohnung in dem Vier-Parteien-Wohnhaus auf erträgliche Temperaturen zu bringen. Als Ende Januar die große Kältewelle mit knackigem Frost Einzug hielt, fiel auch die Temperatur in der Wohnung weiter. Steffen K. und Nancy R. leben und schlafen seither nur noch im Wohnzimmer, weil dort mit einem Bioethanol-Kamin und Elektroheizer bei geschlossener Tür zumindest an die 20 Grad Celsius erreicht werden. Im Bad steigt das Thermometer trotz voll aufgedrehter Heizung nicht über 15 Grad, im Schlafzimmer und Flur nur bis 12 Grad und in einem kleinen Arbeitszimmer nur bis zur 4-Grad-Marke.

Fristlose Kündigung

"Die Situation ist unerträglich geworden. Wir zahlen 500 Euro Miete für eine Wohnung, in der man nicht leben kann; suchen deshalb intensiv nach etwas Neuem", sagt Steffen K. Er sieht das Hauptproblem in unzureichender Wärmedämmung. Wände und Fußboden sind trotz Heizung eiskalt, überall ist ein kalter Luftzug zu spüren. Mehrfach habe man bei Hausverwalter und Vermieter auf die untragbare Situation hingewiesen und Abhilfe - etwa in Form von zusätzlichen Elektroheizern und Übernahme der dadurch anfallenden Kosten oder durch Ausweichquartiere - verlangt. Grundsätzlich getan habe sich indes nichts. Das junge Paar stellte nach mehrfacher Ankündigung einer Mietkürzung die Mietzahlung für Januar und Februar ein. Daraufhin wurde ihnen nun der Mietvertrag fristlos gekündigt. Bis 20. Februar sollen sie die Wohnung besenrein übergeben. Eine Kündigung des Mietverhältnisses sei zwar auch in ihrem Sinne, sagt Steffen K. Doch auf die Kaution wollen und können die beiden nicht verzichten. Steffen K. erwägt deshalb Klage gegen das Maklerbüro und den Vermieter, sollte der nicht die eigene Kündigung annehmen und die Kaution auszahlen. "Der Mangel an der Dämmung war schließlich bekannt. Eine Wohnung so zu vermieten, ist deshalb vorsätzlicher Betrug", sagt er. Ein Rechtsanwalt ist eingeschaltet.

Eine Hinhaltetaktik glaubt indes Hausverwalter Matthias Kaiser von der Filios GGS Ltd & Co. KG Zella-Mehlis, dem Nachfolger der vergangenes Jahr in Insolvenz gegangenen TCC, im Verhalten der Mieter zu erkennen. "Sie versuchen seit Monaten mit windigen Ausreden keine Miete zu zahlen", sagt er. Wöchentlich sei er vor Ort, habe die Heizungsanlage überprüft und neu eingestellt. "Die läuft volle Pulle, mit 80 Grad im Vorlauf", sagt er. Alle anderen Wohnungen seien ausreichend warm. Um das auch für die Dachgeschoss-Wohnung zu gewährleisten, sei den Mietern das Angebot unterbreitet worden, in der Zeit der extremen Kälte einen Teil der zusätzlichen Kosten zu übernehmen, sagt er. "Deshalb ist es unverständlich, das die Mietzahlung komplett verweigert wird."

Tatsächlich waren die jungen Leute schlecht beraten, die Mietzahlung wegen der kalten Wohnung ganz einzustellen, sagt Mieterberaterin Kerstin Wilhelm vom Mieterverein Suhl und Umgebung e. V. Bei ihr häufen sich in der gegenwärtigen extremen Frostperiode die Anfragen von Mietern mit ähnlichen Problemen. "Grundsätzlich ist der Vermieter dafür verantwortlich, dass seine Mieter nicht frieren müssen. Aber man muss dem Vermieter Gelegenheit geben, für die richtige Wärme zu sorgen. Tut er das nicht, kann die Mietzahlung nach Ankündigung zwar gekürzt, jedoch nicht völlig eingestellt werden", erläutert sie die Rechtslage. Immer wieder entbrenne zwischen Vermieter und Mietern jedoch Streit darüber, was die richtige Wärme sei. Ist das im Mietvertrag nicht festgelegt, so kann aufgrund verschiedener Gerichtsurteile von folgender Regel ausgegangen werden: Zwischen 6 und 22 Uhr müssen mindestens 20 Grad erreichbar sein, in den Nachtstunden reichen 18 Grad. Die Höhe der Mietminderung sei indes nicht so einfach feststellbar, sagt die Mieterberaterin. "Das hängt vom Einzelfall ab; muss genau abgewogen werden." Ein Beratung sei deshalb sinnvoll. Zusätzliche Elektroheizer, deren Kosten auch dem Vermieter in Rechnung gestellt werden könnten, sind zwar eine kurzfristige Behelfslösung, etwa bei einem Heizungsausfall. Dauerhaft allerdings sind sie kein Zustand.

Richtiges Heizen

Während die Kälte vor allem in unsanierten oder bereits vor längerer Zeit sanierten Wohnungen für kalte Räume und zugefrorene Wasserleitungen sorgt, stellt sie die beiden großen Vermieter der Stadt bislang nicht vor größere Probleme. "Die für unsere Breiten extreme Kälte mag zwar ungewöhnlich sein, aber wir sind natürlich auf den Winter eingestellt", sagt GeWo-Prokurist Ralf Heymel. Hausmeister und technische Mitarbeitern hätten alle Vorkehrungen getroffen, um ein Einfrieren von Leitungen zu verhindern und Heizanlagen auf den Winterbetrieb vorbereitet. So werde den Mietern mit Ausnahme eines Abrissobjekts jederzeit eine angemessen warme Wohnung gewährleistet. Lediglich drei Wasserleitungen seien eingefroren. Aber auch dieser Schaden wurde schnell behoben.

Ähnlich sieht es bei der AWG "Rennsteig" aus. Vereinzelte Heizkörper oder Heizleitungen an Außenwänden seien auf Grund abgestellter Thermostate in bewohnten Wohnungen eingefroren. "Infolge von unzureichender Lüftung und zu geringer Beheizung der Räume kam es auch teilweise zu Kondensatbildung an Fenstern", gibt Mitarbeiterin Peggy Haja Auskunft. Nicht alle Mieter heizten und lüfteten indes bei Kälte richtig. "Zur Vorbeugung erhielten unsere Mieter in der Ilmenauer Straße vergangene Woche noch einmal gezielte Hinweise zum richtigen Verhalten bei dieser Witterung", so Haja.

Steffen K. und Nancy R. müssen sich wohl auch in den nächsten Tagen in ihrer Wohnung noch warm anziehen. Sie hoffen, möglichst schnell ein neues Zuhause zu finden und im nächsten Winter nicht mehr zu frieren.

Quelle: Freies Wort vom 10.02.2012

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen